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Tipo Milan(o)


Es war einer jener kalten, unwirtlichen Januartage, als eine Kollegin fröstelnd an der Haltestelle in Oberwinterthur stand, den Bus ersehnend. Hungrig schickte sie sich an, ihr selbst belegtes Vegi-Sandwich aus der Alufolie zu klauben und biss gleich herzhaft hinein. Genüsslich kauend und den Gedanken nachhängend, hielt sie die Stulle etwas von sich.

Plötzlich ein scharfer Luftzug und ein Geräusch, als führe jemand mit einem Teppichklopfer einen kräftigen Streich an ihrem Ohr vorbei. Wusch. Verdattert blickte sie nach ihrer ausgestreckten Hand und gleich darauf dem Raubvogel hinterher, der mit ihrer Zwischenverpflegung in den Klauen das Weite suchte. Als Vogelkennerin meinte sie einen Rotmilan ausgemacht zu haben.

Verschmitzt lachend, erzählte sie mir von dem ungewöhnlichen Vorfall und mutmasste über die herbe Enttäuschung des diebischen Räubers sowie ihm bewusst wurde, dass er kein Salami-Sandwich ergattert hatte, sondern ein Eingeklemmtes mit Salatblättern, Eierscheiben und Mayo. Dem hungrigen Fleischfresser hätte sie aber durchaus ersteres gegönnt.

 

Meinerseits berichtete ich ihr von meinem Erlebnis aus jungen Jahren. Damals sass ich auf dem Sozius einer Vespa, auf der Fahrt durch Felder zwischen Dällikon und Regensdorf, als wir in voller Fahrt von einem Milan angegriffen wurden. Immer wieder stürzte er sich heftig flatternd und lauthals klagend auf unsere Helme, sodass unser Kurs bald zu einer Schlangenlinie geriet. Eine prägende Erfahrung, die ich bestimmt lebtags nie vergessen werde. Bis heute weiss ich nicht, was den Vogel veranlasst haben mag, uns zu attackieren. Eifersucht vielleicht?

 

Übrigens: Der Rotmilan ist nach dem Bartgeier und dem Steinadler der drittgrösste einheimische Greifvogel und stand hier einst kurz vor dem Aussterben. 1969 zählte man in der Schweiz noch lediglich 90 Brutpaare. Heute nisten mit Ausnahme der Kantone Genf und Tessin wieder um die 3500 Rotmilan-Paare. Rund 10 Prozent der Weltpopulation lebt mittlerweile in der Schweiz.

Titelbild: Ausblick von Maria-Rickenbach (NW) in die Alpweiden (Sommer 2017)


Bild oben: Grünzauber bei Buttes im Neuenburger Jura (Auffahrtsvelotour 2019)


Bild oben: Auffahrtsvelotour 2022

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