Zugegeben, ein Migroskind bin ich nicht wirklich. Ich würde mich eher als Pendelkäuferin bezeichnen. Einkaufen da, wo eben jene Dinge im Angebot sind, welche meinem Gaumen besonders schmeicheln.
Die Fasnachtschüechli von MIGROS zum Beispiel sind unübertroffen, genauso wie die buttrigen und köstlich karamelisierten Prussiens von COOP. Möchte ich beides geniessen, scheue ich den Aufwand des Ladenwechsels nicht. Gibt es ,kalt’ zum Znacht, ist ein besonders knuspriges Brot gefragt. Dafür muss ich ALDI oder LIDL berücksichtigen, deren Brote mir mit Abstand besser schmecken und erst noch länger haltbar sind.
Trotzdem fühle ich mir irgendwie als eines. Nicht zuletzt der vielen Kindheitserinnerungen wegen, was Alltagsprodukte anbelangt. Und die kaufte meine Mama ausschliesslich bei der MIGROS. Oh ja, sie war eine hundertprozentige Migrosmutter, die noch die legendären Verkaufswagen kannte.
Da mich schon früh interessierte, wo was produziert wird, achte ich auf die Etiketten mit der Folge, dass in mir ein gewisser Stolz wuchs. Ein Stolz auf die Schweizer Firma MIGROS, die trotz dem verhältnismässig kleinen CH-Markt unzählige Produkte in Eigenregie produzierte, Gottlieb Duttweiler und dem damaligen Boykott der Markenartikelhersteller sei Dank.
Ob ich nun eine Frey-Schokolade, eine Bischofszeller-Konserve, ein Abwasch- oder Duschmittel in Wägelchen legte, es war auf die eine oder andere Art MIGROS und somit ein Stückchen Schweiz drin. Toll. Die MIGROS war für mich stets etwas Besonderes. Eine heilige Kuh wie SWISSAIR selig. Eine dank ihrer Unverwechselbarkeit stark verankerte Marke, die uns SchweizerInnen ans Herz gewachsen ist.
Mit der schleichenden Kannibalisierung der Eigenmarken, begann dieses einst makellose Image jedoch langsam zu bröckeln. Frey-Schokolade zum Beispiel, die einen Vergleich nun wirklich nicht zu scheuen braucht, war nicht mehr gut genug und sah sich plötzlich mit Produkten von LINTH im Regal. MIGROS näherte sich immer mehr der Konkurrenz an, begann ihren Sonderstatus fahrlässig aufs Spiel zu setzen.
Ein nächstes Indiz war die Urabstimmung betreffend Verkauf von Alkohol in den Migrosfilialen. Mit DENNER hatte sich MIRGOS schon Jahre zuvor einen grossen Hecht im Alkoholvertrieb einverleibt und damit des Gründers Prinzipien durchs Hintertürchen umgangen. Aber nein, man konnte den Bauch dessen ungeachtet nicht voll genug kriegen und brachte das Thema zur Abstimmung. Dies allein schon ein Sakrileg, ein Spiel mit den Werten der GenossenschafterInnen. Das Resultat ist bekannt und zeigt auf, wie die MIGROS Kundinnen denken und wofür sie einstehen.
Der aktuelle MIGROS-Chef mag zwar beteuern, dass ich mein HANDY Abwaschmittel und I AM Duschgel auch nach dem Verkauf der Portfolioperle MIBELLE weiterhin im Gestell finden werde, aber es wird UNILEVER, BEIERSDORF, oder PROCTER & GAMBLE auf der Etikette zu lesen sein. Fraglich, ob all die treuen Migroskinder zu diesem Vorhaben Beifall klatschen, oder ob sie wie ich ticken und sich sagen: Da kann ich ja gleich zu COOP.
Foto: Herbstblatt mit Schneekappe / Aabachtobel Horgen
Fotos: Eistag am Sihlsprung / Januar 2023
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