Ein Kreisel ist ein Kreisel ist ein Kreis. Dies zumindest haben sie alle gemeinsam. Sie sind rund. Man kann sie umfahren bis einem trümlig wird, oder es einem verleidet. Das tun aber nur solche die sich verirrt haben, oder Kreisel-Spotterinnen, wie ich es in der Vorbeifahrt manchmal bin.
Immer wieder bin auf positive oder negative Art fasziniert, was sich kommunale Tiefbauämter so alles einfallen lassen, oder eben nicht. Hier wird Unmögliches möglich. Ein Spielfeld der Geschmäcker, der Baukommission, von Künstlern, Landschaftsgärtnern und obendrein der Finanzkontrolle.
Ein Kreisel ist ja teuer, eine Investition und unter einer Million schwerlich zu haben. Da heisst es die Kosten im Griff behalten.
Das Sortiment ist breit und geht von nacktem Geröll- und Schotterkreisel über ebensolchen mit Skulptur aller Gattungen, farbigen Glasscherben, Betonpilzen, bis hin zu begrünten Verkehrsinseln. Letztere kommen recht unterschiedlich daher. Die einen ziert ein kleiner Wald mit Baum und Buschwerk, vorzugsweise immergrün, blütenlos und somit kostenneutral, da kein Laubabwurf.
Die anderen muss man suchen. Sie sind selten, echte Raritäten. Die gibt es nur an Orten mit Verantwortlichen die politisch grün denken oder über einen entsprechenden Daumen verfügen. Bestenfalls mit Anwohnern, welche keine Sympathien für ein Kieswerk an prominenter Lage hegen.
Das sind die Bijoux’s unter den Kreiseln, Augen- und Bienenweiden, Hingucker, Sinnerfreuer und ausserdem ökologisch wertvoll. Ich spreche von den Steingarten-Kreiseln, besetzt mit Stauden, Gräsern, Blumen hitzeverträglicher Arten, winterhart oder versamungsfreudig.
Kurzgeschoren, gestutzt, die Blumen ebenerdig abgeknipst, machen sie selbst jetzt im Winter eine Gattung und verströmen einen gewissen Charme. Vielleicht auch, weil man weiss, zu welcher Pracht sie demnächst wieder erblühen werden. Die Lavendelsträucher, Natternköpfe, Königskerzen, Malven, Disteln, Sonnenhüte und Co. Allesamt anspruchslos und pflegeleicht. Hier summt und brummt es bald kräftig, auch wenn dies nur die VelofahrerInnen wirklich wahrnehmen werden. Egal. Solche Verkehrsinseln sind toll und nachahmungswürdig. Beispiel: Kreisel Au-Wädenswil (Siehe Bild unten)
Derartige Bepflanzungen würden sich auch bestens mit einsam im Geröll stehenden Plastiken vertragen. Der Chromstahl-Stangenwald im Rössli-Kreisel zu Wil (SG) zum Beispiel, scheint geradezu auf biologische Gesellschaft zu warten, Nein, er schreit sogar danach! (Siehe Bild unten)
Das immer wieder vorgebrachte Kostenargument ist schlicht nicht haltbar. Solches ist Gejammer von Leuten, die sich sterile Steinwüsten wünschen, im Glauben, dass jene keinen Unterhalt benötigen. Eine Irrmeinung, wie sie nach ein paar Jahren augenreibend feststellen werden.
Ein mit winterharten und mehrjährigen Blütenpflanzen begrünte und verschönerte Verkehrsinsel sowie Mittelbankette, brauchen lediglich einmal jährlich umfangreichere Zuwendung. Dann nämlich, wenn es gilt, die verblühten Gräser, Stauden und Blumen zurückzuschneiden. Jene mit Rispen und Samenkapseln möglichst spät, bedeuten sie den Vögeln doch wertvolles Winterfutter.
Mir ist eine zur Stadt angewachsene Ortschaft bekannt, welche im Frühjahr Säckchen mit Blumensamen in alle Haushalte verteilen liess, verbunden mit der Aufforderung, sich als Wildblumen-Guerilla zu betätigen und die Samen nach eigenem Gutdünken ihrer Bestimmung zuzuführen.
Schöner und sinnvoller Ansatz, doppelte Moral. Denn im gleichen Jahr brachten es die Bauverantwortlichen fertig, ehemals begrünte Verkehrsspickel und Fussgängerinseln mit kindskopfgrossen Bollensteinen zuzupflastern, sprich zu verschandeln. Zynismus pur.
Da und dort gibt es aber auch Lichtblicke zu vermelden. Der einst vom Tages-Anzeiger zum hässlichsten der Schweiz gekürte Kreisel Riggenbach in Hirschthal (AG), durfte sich einer Renaturierung erfreuen. 17 Jahre lang umgab nacktes Geröll die auf dem Steinhügel stehende Stromumwandler-Skulptur, dann sah sich die Gemeinde im Sinne der Biodiversität genötigt, über 100 einheimische, reich blühende Stauden zu pflanzen. Ein Gewinn für Mensch, Vögel und Bienen aller Arten. Vorbild für die zahlreichen Kreisel der hinteren Ränge, quer über die Schweiz verstreut.
Etliche der Kreisel-Kommunen streben nach null Aufwand mit ihren Verkehrsinseln und führen als Argument Unterhalt und Kosten ins Feld. Im Glauben, damit lebensfeindliche Geröllwüsten legitimieren zu dürfen. Beides halb so wild, wie bereits erwähnt.
Ein Denkansatz könnte sein, die Mitgestaltung, Pflege und Verschönerung ,grüner’ Kreisel privater Initiative zu überlassen. Eine Patenschaft zu installieren, die mittels Wettbewerb, ausgeschrieben im Lokalblatt, eruiert würde. Brach liegendes Potential bei Leuten zu aktivieren, welche über das notwendige Wissen verfügen und liebend gerne mehr Handlungsspielraum hätten, als es ihnen ihre Balkonkistchen erlauben.
Eine klassische Win-Win-Situation, die auch bestimmt Schwung ins örtliche Leben bringt, ein paar Menschen glücklich macht und die Behörden zudem vom Unterhalt entbindet.
Unken höre ich schon rufen: «Zu gefährlich bei dem Verkehr!» Dem möchte ich entgegenhalten, dass die Mehrzahl aller Kreisel über eine Art Trottoir verfügen. Einem breiten von der Fahrbahn abgesetzten Streifen, der sich während allfälliger Arbeiten mit orangen Verkehrshüten sichern lässt.
Alles andere sind Details, die es auszuhandeln gälte.
Und wie sagte doch schon der Römer Seneca:
NICHT WEIL DIE DINGE SCHWIERIG SIND
WAGEN WIR SIE NICHT.
SONDERN WEIL WIR SIE NICHT WAGEN
SIND SIE SCHWIERIG.
Also wagt es!
Titelfoto: Kastanienblatt am Monte di Lego (TI) Januar 2019
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Unterhaltsgünstig, und eine Bienenweide, der Kreisel in Jonschwil, Toggenburg (SG)
Zwei erfreuliche Beispiele im Kanton Luzern (Evaluiert von Christina Imobersteg):
Der Rössli-Kreisel in Wil (SG) wartend auf Begrünung: (Google-Streetview)
Weitere Kreisel mit Handlungsbedarf. Fotos aus Swissbook. Die merkwürdigsten Kreisel der Schweiz:
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