Dear Uncle Sam
«Wählt mich, sonst wird es blutig!» lässt sich euer republikanischer Präsidentschaftskandidat dieser Tage grossmäulig verlauten. Du weisst schon, dieser unmögliche Typ mit den Superlativ-Ausdrücken und der Populistenfrisur. Jener der es am 6. Januar 2021 beinahe geschafft hätte, eure Demokratie zu schleifen und damit die nationalen Traumata 9/11, Mord an JFK und Pearl Harbour zu toppen verstand.
Da es trotz regelmässiger Amokläufe und Massenmorde in deinem Land utopisch ist anzunehmen, dass die Schraube beim Waffengesetz jemals angezogen wird, sind seine Anhänger vom militanten Flügel bis unter die Zähne bewaffnet. Proud Boys und andere Spiessgesellen sind keine Tea Party, sondern tröge Waffennarren und Kriegsgurgeln mit IS-Qualitäten. Sie warten bloss auf ein weiteres Zeichen ihres blutrünstigen Idols.
Man darf sich also Sorgen machen. Oh ja, das tue ich, zumal nur noch gezinkte Karten im Spiel auszumachen sind. Weil die im November anstehende Wahl eine zwischen Teufel und Beelzebub sein wird. So oder anders steht ein mittleres Desaster bevor.
Der erwähnte Kandidat ein bauernschlauer Narziss, Neurotiker, Choleriker und Krimineller, der andere ein Greis, der auf wackeligen Beinen steht, Staatsoberhäupter und Länder verwechselt und weit davon entfernt ist, Garant zu sein, für weitere vier Jahre Durchhaltevermögen. Wehe, er stürchelt nochmals über eine Teppichkante!
Er zumindest ein intelligenter Mensch mit grosser politischer Erfahrung und Stil. Ein Staatsmann mit Format, dem Empathie kein Fremdwort ist, aber leider einer, dessen Halbbarkeitsdatum abzulaufen droht.
Lieber Onkel Sam
Du weisst wie liebend gerne ich dich und deine landschaftlich faszinierende Heimat wieder einmal besuchen möchte, aber ich kann nicht. Nicht mehr. Es wäre contre coeur. Da ist in den letzten Monaten eine unüberwindliche Barriere in mir gewachsen, ein Ekel sogar. Die Vorstellung, dass die Hälfte deiner Mitbürger diesen Egomanen, Volksverhetzer und verhinderten Putschisten erneut als Staatsoberhaupt an der Macht sehen will, bereitet mir Übelkeit. Diese Tatsache und keineswegs geringe Wahrscheinlichkeit ist schlicht zum Kotzen. Bitte verzeih mir den Ausdruck.
«Wählt mich, sonst wird es blutig!» ist eine Drohung, Erpressung sowie Sakrileg in einem. Hier endet die Show, welche deine Landsleute so sehr lieben. Das ist krank und trägt faschistoide Züge. Game over wäre angezeigt, doch wer zieht diesem Wüterich endlich den Stecker, frage ich mich.
Es stimmt mich traurig zu realisieren wie tief das Ansehen deiner Nation dank seines Expräsidenten gesunken ist. In den Quasidiktaturen ist sie längst zur Lachnummer verkommen und dient deren Propaganda als Vorzeigemodell des dekadenten Westens. Das muss selbst besagten Präsidentschaftskandidaten und möchtegern Autokraten wurmen. Summa summarum ein unversicherter Schaden für alle jene zumindest, welche demokratische Werte hochhalten.
Weisst du, Sam, es will mir nicht in den Kopf, dass ein moderner Staat mit 350 Millionen EinwohnerInnen es nicht fertig bringt, politisch zu diversifizieren. Es ist kein Joker in Sicht, keine dritte Kraft, welche die andauernden und immer wieder lähmenden Patt-Situationen verhindern hülfe. Die halbe Welt kraust die Stirn, wenn nach einem Regierungswechsel wieder einmal alles auf den Kopf gestellt wird, um Errungenschaften des Vorgängers auszuhebeln. Aus Rache oder Machtgehabe ist mir nicht ganz klar. Lähmend ist das aber allemal.
Ob rot oder blau, republikanisch oder demokratisch, es herrscht ein Schubladendenken par excellence. Keine Grautöne, niemand im Mittelfeld der Tore schiesst. Kein Auffangbecken für diejenigen, welche den Vorbeter ihrer Partei leid und deshalb der Ächtung anheimgefallen sind.
Sieht man genauer hin, ein anhaltender politischer Bürgerkrieg, von dem sehr zu hoffen ist, dass er nächsten November nicht hinaus auf die Strasse getragen wird. Dann nämlich: GOD BLESS YOU!
Sam, trage dir Sorge und investiere doch mal in die Nachwuchsförderung.
Schade, kann ich dich nicht in die Arme schliessen. Aber wir bleiben in Kontakt, nicht wahr?
Deine Motzarella
Nachtrag 24. April 2024:
Nachstehendes Foto habe ich heute von einem Kollegen erhalten, der zusammen mit seiner Frau gerade Florida bereist. Augenzwinkernd stellt er in Aussicht, mir diesen Autoaufkleber als Souvenir mitzubringen, im Wissen um meine kritische USA-Sicht. Die Aussage des Klebers untermauert das Geschriebene in beängstigender Weise.
Titelfoto: Morgensonne scheint durch eine Eisplatte / Nähe Schnebelhorn (ZH)
Morgenlicht am Zürichsee
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